Filip Haag ‹AUGENBLICK MAL FARBE›

Seit meiner Residency in Varanasi/India im Januar 2020 male ich auch in Goldfarbe. In lichter Leichtigkeit tragen die Bilder den Glanz von Gold – und konterkarieren sein Gewicht und die Symbolkraft. Die Bilder zeigen und verbinden mein zentrales Thema, die grossen und kleinen Gegensätze: Licht & Dunkel, Schimmern & Versinken, leicht & schwer, leer & voll…

Geplant & ungeplant: mal sind sie fast unendlich langsam erstritten, wie ein Nörgeln, mal sind sie ein Wurf im Augenblick, im Rausch: Diverse Techniken (Schlenker in Gouache ebenso wie Errungenes in Acryl und Oel und hingewischte feine Bleistiftspuren) befruchten sich gegenseitig. Unter allem liegt derselbe Grund. Das Leichte ist vom Glück begünstigt, das Schwere musste viel bezahlen. Untrennbar sind sie, die Extreme, sind sich Tritt- und Sprungbrett, sind verwoben.

Der Prozess des Malens läuft nicht ab wie geplant. Das Ergebnis wurde nicht so angestrebt wie erreicht. Es ist ein kleines und grosses permanentes Trial und Error; was mich bewegt und beflügelt. Das Erforschen von Ungewissem. „Zufall“ ist ein eigentlich voreiliger Begriff für ein kostbares Prozedere, das ich vielmehr bezeichnen möchte als „Per aspera ad astra“ – durch Schwierigkeiten zu den Sternen. Diesem Weg habe ich mich verschrieben, ich gehe ihn unentwegt, ich verlasse begangene Pfade und schlage mich durch Gestrüpp – wie ich das Leben manchmal nennen möchte, manchmal nicht. Dass das Bild mir dann auch zufällt, das gibt ganz viel zu tun. Denn manchmal ist das Gestrüpp ein veritabler Dschungel, da lauern auch wilde Tiere und andere grosse Gefahren…

Und wo sind die Sterne? Ich erreiche sie, indem ich mir im Gestrüpp Luft verschaffe und gelegentlich einen Blick auf sie erhasche. In den Sternen meinen eigenen Platz zu finden, wo die Luft dünn ist und die Distanzen maximal sind, das ist nicht mein eigentliches Anliegen. Vielmehr ist der Blick darauf als Ausweg aus dem Gestrüpp meine Verheissung. Der erhellte blaue Himmel bei Tag, die dunkle, gesprenkelte Unendlichkeit bei Nacht: Für Augenblicke werden sie sichtbar. Am anderen Morgen ist das ganze grosse Gefühl vom Vortag weg, die Sterne verblassen. Ganz von vorne geht es wieder los. Oder fast ganz.

Ich bewege mich jenseits der klaren Erkennbarkeit und diesseits des Vagen und Beliebigen. Es ist das Terrain einer Abstraktion, die aber immer dem noch Fassbaren verhaftet bleibt: dem Gegenstand, der Figur, der Landschaft. Es ist nicht die reine Form, die mich kümmert, es ist die Form als Gefäss. Die Kunst ist das Gefäss, das nicht bloss in seiner Form präsentiert wird, sondern auch in seiner Funktion –als Krug, als Glas, als Schale. Es enthält sich selber nicht, es fasst die Tranksame und ist mal voll, mal nicht.

Filip Haag, im März 2021

P.S. Bei manchen Bildern habe ich den Werkprozess in den Stufen des Entstehens – Irrungen, Wirrungen, Varianten – festgehalten und in einem Album dokumentiert. Es ist Teil der Ausstellung.

KIHaus Biel: 17.4. bis 16.5.2021
Filip Haag „KELASARIAM – Welten sind mehr als Fakten“ Raumbild
Finissage: 16.5.2021 11-17 Uhr